Die Inspiration zu diesem Artikel ist aus der Antwort eines Blog-Lesers auf eine kürzliche Umfrage entstanden. Die zugrundeliegende Frage handelte davon, wie die Zielplanung des Unternehmens an die Lean Vision gekoppelt werden kann und wie sich daraus KVP-Projekte ableiten lassen.
Beim ersten Teil der Frage denke ich, dass die Reihenfolge umgekehrt werden sollte. Unter Umständen ist die Schwierigkeit gerade in dieser anderen Reihenfolge begründet. In meinen Augen steht die Vision an erster Stelle der Überlegungen. Das muss nun nicht ausdrücklich eine so genannte Lean Vision sein. Es reicht m.E. aus, wenn sich die Vision an den Lean-Prinzipien orientiert. Das heißt, es sollten die folgenden Fragen bei der Entwicklung der Vision im Vordergrund stehen:
- Was ist der Nutzen und Wert, der für die Kunden geschaffen werden soll – in dessen Augen und auf dessen Anforderung und Beauftragung natürlich.
- Wie sieht der Wertstrom dazu aus, also die Prozesse, in denen die Wertschöpfung stattfinden?
- Wie kann der der Wertstrom möglichst fließend gestaltet werden?
- Wie kann nach Perfektion gestrebt werden?
- Wie kann der Respekt für die beteiligten Menschen gelebt werden?
- Aus diesen Prinzipien können dann Etappenziele – die nächsten Ziel-Zustände im Sinne der Kata-Philosophie – definiert werden.
In der oben genannten Frage ging es auch um die Zielplanung für ein ganzes Jahr. Aus der zugrundeliegenden Dauer von 12 Monaten können dann durchaus mehrere aufeinanderfolgende Ziel-Zustände gebildet werden. Dabei ist es jedoch wichtig, eine passende Balance zwischen zu anspruchsvoll einerseits und zu einfach und naheliegend andererseits zu finden. Der Weg zum jeweils nächsten Ziel-Zustand darf bzw. muss sogar durch unbekanntes Gelände führen, damit es zu einer Weiterentwicklung des Unternehmens kommt. Dies kann kann sich nun direkt auf die relevanten Prozesse aber auch auf die beteiligten und betroffenen Menschen und deren Entwicklung beziehen – womit auch der Gedanke des Respekts adressiert wird.
– Helmuth von Moltke
Der zweite Teil der Frage führt mich jetzt auf den Titel des Artikels zurück. Besteht ein Widerspruch zwischen Projekt und Prozess? Im Lean Management herrscht ja bekanntermaßen der Prozessgedanke vor. Kann es dann so etwas wie ein KVP-Projekt überhaupt geben? Ist das KVP-Projekt ein schwarzer Schimmel (in Abwandlung des schwarzen Schwans aus dem letzten Artikel)? Oder ist es ein Pleonasmus, also ein weißer Schimmel, der durch die Redundanz auf der sprachlichen Ebene eine Verschwendung (weil ein Prozess an sich immer kontinuierlich ist), also so gar nicht mehr lean ist. Oder ist es ein weißer Rappe, in dem sich beide Farben vereinigen (ich weiß, dass schwarz und weiß keine Farben sind ;-)
Diese vielleicht etwas wirren Gedankengänge rufen bei mir den Beginn meiner Berufstätigkeit in Erinnerung, als ich nach einigen Projektmanangement-Seminaren auch eine Fortbildung zum Thema Prozessmanagement besucht hatte. Damals konnte ich mit dem Thema Prozessmanagement nicht wirklich etwas anfangen und war froh, dass ich Projektmanager war. Es hat dann noch über zehn Jahre gedauert, bis sich bei mir die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass auch Projekte einem Prozess – dem Projektmanagement-Prozess – folgen. Entschuldigend kann ich nur sagen, dass die Lehre Anfang der Neunzigerjahre insgesamt für diese Erkenntnis auch noch nicht reif war.
Also wieder zurück zur Eingangs-/Titelfrage: Kann es ein KVP-Projekt wirklich geben? Aus der Sicht der reinen Lehre kann die Antwort m.E. nur „Nein“ lauten, weil es ein Oxymoron wäre. Unter praktischer und weniger wortklauberischer Betrachtung spricht aber nicht gegen die Verwendung, wenn wir die Spanne zwischen dem Ist-Zustand und den nächsten Ziel-Zustand betrachten und dabei berücksichtigen, dass der KVP mit der Erreichen des nächsten Ziel-Zustands nicht zum Stillstand kommt (was durchaus der Fall sein kann, wenn die Orientierung an der übergeordneten Vision fehlt).
Auf die ursprüngliche Fragestellung des Blog-Lesers zurückkommend denke ich, dass mögliche KVP-Projekte „einfache“ Abfallprodukte der Unternehmensvision sind, wenn diese im Rahmen der Strategiefindung und -verfolgung (siehe obiges Moltke-Zitate) identifiziert werden. Einfach heißt dabei nicht, dass einem die Themen zufliegen. Die Erarbeitung und Festlegung der nächsten Ziel-Zustände erfolgt typischer- und idealerweise in moderierten, interdisziplinären Workshops, d.h. in einem strukturierten Prozess. Aus diesen Ziel-Zuständen leiten sich dann die KVP-Aktivitäten in PDCA-Zyklen ab. Dabei sollte auch beachtet werden, dass es nicht zu lokaler Optimierung kommt (deshalb die interdisziplinären Teams). In der Projektterminologie spricht man hier Programmen und dem entsprechenden Management.
Als Fazit lässt sich also sagen, dass Projekte und Prozesse speziell im Kontinuierlichen Verbesserungsprozess durchaus Verwandtschaft haben und definitiv von einander lernen können. Das gilt sowohl für den Detailbezug als auch für das Gesamtbild in Portfolios.
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