Warum Betroffenheit so wichtig ist wie Beteiligung, nicht nur im Lean-Kontext

Betroffenheit

Die Aussage „Betroffene zu Beteiligten machen“ ist nun wirklich nicht mehr neu und die meisten Menschen werden ihr vermutlich auch zustimmen. Trotzdem macht es in meinen Augen Sinn mal intensiv über die einzelnen Bestandteile des Satzes nachzudenken und etwas Wortklauberei zu betreiben.

Die zwei zentralen Wörter sind sicherlich die Betroffenen und die Beteiligten. Was steckt hinter diesen beiden Wörter bzw. was beschreiben sie bzgl. der jeweiligen Personenkreise.

Als erstes kommt mir in den Sinn, dass Betroffene eben von etwas betroffen sind, sich also eher oder absolut in einer passiven Rolle befinden, was allein schon grammatikalisch durch betroffen sein zum Ausdruck kommt, weil man eben von etwas getroffen wird.

Im Gegensatz dazu steht bei der Beteiligung der aktive Aspekt und die eigene Initiative im Vordergrund. Man nimmt an etwas teil, man ist Teil von etwas (ok, hat auch gewisse passive Elemente).

So weit also mal diese beiden zentralen Wörter der Aussage. Aber da sind ja noch mehr.

Auch wenn „machen“ eher unspezifisch ist und schon fast den Charakter eines Hilfsverbs hat, steckt da auf jeden Fall die Frage dahinter bzw. ist damit verknüpft, wer denn da macht. Im Lean-Kontext wie in grundsätzlich in allen Veränderungsszenarien würde ich der machenden Person im Allgemeinen eine Form der Verantwortung für die Veränderung zuschreiben, typischerweise mit einer Führungsrolle bezogen auf die Veränderung bzw. die (abstrakte) Organisation, in der die Veränderung stattfindet.

Auf jeden Fall kann man hier wieder die aktiven und passiven Bezüge betrachten. Dass die Betroffenen eine passive Rolle haben, hatte ich schon dargestellt, ebenso wie die eher aktive Rolle der Beteiligten. Im Bezug zum Machen bzw. gemacht werden, sind aber auch die Beteiligten in einer passiven Rolle, sie werden dazu gemacht.

„Du kannst die Leute nicht motivieren, wenn sie nicht das Gefühl haben, unmittelbar selbst davon betroffen zu sein!“

– Hans Söllner

Jetzt könnte man meinen, dass damit die Wortklauberei erledigt ist, weil alle Wörter behandelt wurden.

Mitnichten!

Das ist noch das kleine, unscheinbare „zu“.

In diesem Fall impliziert das „zu“ auch eine Form des Wandels bzw. der Veränderung, eben von der betroffenen Person zur beteiligten Person.

Genau das ist aber der Punkt, der mich letztlich auch zu diesem Artikel und seiner Überschrift inspiriert hat.

Im Lean-Kontext, aber in meinen Augen auch in allen anderen Veränderungsszenarien, tut man sich (als verantwortliche Person, wie auch den anderen betroffenen bzw. beteiligten) keinen Gefallen, wenn „einfach“ die Betroffenheit durch die Beteiligung ersetzt wird. Das meine ich in dem Sinn, dass die dann beteiligten Personen nicht mehr betroffen wären.

Veränderung in vermutlich jeder Form hat vermutlich auch immer etwas mit Betroffenheit zu tun. Entweder, weil die Betroffenheit einen negativen Aspekt darstellt und – aus den unterschiedlichsten Gründen und in den unterschiedlichsten Formen– Widerstand verursacht oder alternativ bzw. zusätzlich, weil die Betroffenheit auch Antrieb darstellen kann bzw. zwingend darstellt. Antrieb, sich aus einer misslichen Situation zu entfernen oder – und idealerweise zusätzlich – der Antrieb, sich einer besseren Situation zuzuwenden bzw. sie anzustreben.

Ohne diesen Antrieb und damit ohne die Betroffenheit kommt es zu keiner Veränderung. Das ist einfach nackte Physik (Quantenmechanik und Relativitätstheorie mal ausgenommen) und kommt auch im ersten Newtonschen Axiom zum Ausdruck: Ein Körper, auf den keine Kraft einwirkt, bleibt in Ruhe oder bewegt sich geradlinig mit konstanter Geschwindigkeit.

Hier versteige ich mich auch zu der Aussage, dass der menschliche Geist und Wille unter diesem Aspekt auch bloß ein Körper ist.

Das Fazit dieser Gedankengänge ist also, dass Betroffenheit – zumindest qualitativ – ebenso wichtig ist wie Beteiligung. Während letzteres vermutlich im Bewusstsein der handelnden (machenden) Personen ist, zumindest wenn sie die einleitende Aussage kennen und hoffentlich berücksichtigen, und vielfach methodisch und kommunikativ untermauert wird, werde ich den Eindruck nicht los, dass die Betroffenheit (der Betroffenen und die eigene) viel zu kurz kommt.

Das gilt für die Präsenz im Bewusstsein der handelnden Personen und nachgelagert und davon abgeleitet dann auch für die Handlungen und begleitende Kommunikation.

Dabei wäre es so einfach. Man muss sich nur immer wieder die Frage ins Bewusstsein rufen, die sich jede beteiligte und betroffenen Person (unbewusst) stellt: Was bedeutet „es“ für mich und was hab' ich davon? Und dann auch darüber nachdenken und reden, auch über die eigenen Antworten.

Muss man dafür Zeit investieren?

Ja klar, deshalb ist Lean Management auch eine Investition.

Frage: Was bedeutet Betroffenheit für Sie im Lean-Kontext? Welche Konsequenzen leiten Sie daraus ab? Wie gehen Sie dann mit dieser Erkenntnis um?

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