Warum Lean Hintertüren braucht

Hancho

Warum ich in der Überschrift zu diesem Artikel den Begriff „Hintertür“ gewählt habe, werde ich erst am Ende auflösen. Seien Sie gespannt ;-)

Eine Herausforderung im Lean-Kontext, die zu Beginn der Reise immer wieder besteht, liegt in der Einbeziehung der verschiedenen Personenkreise auf den verschiedenen Ebenen.

Das sind zum einen die Mitarbeiter auf der Arbeitsebene, sei es in der Wertschöpfung in den Leistungsprozessen oder auch in Unterstützungsprozessen.

Eine weitere Gruppe sind die direkten Vorgesetzten auf der untersten Ebene, im englischsprachigen Kontext oft Frontline-Leader/Manager oder Supervisor genannt.

Die dritte Gruppe umfasst dann alle Führungskräfte oberhalb dieser Ebene, bis zur Geschäftsführung.

Durch die Einführung von Lean ändern sich die Arbeitsinhalte aller drei Gruppen, jedoch in unterschiedlichem Umfang und mit unterschiedlichen Inhalten. Was ich jetzt im folgenden beschreibe, ist meine Sicht auf den Idealzustand, wohlwissend, dass diese in einzelnen Szenarien unterschiedlich ausgeprägt sein kann, abhängig davon welches Lean-Verständnis im Hintergrund wirkt, manchmal auch abhängig vom zeitlichen Fortschritt der Einführung.

Auf der Arbeitsebene sollen die Mitarbeiter „plötzlich“ neben der eigentlich Arbeit sich auch noch Gedanken über ihre Arbeit machen, wo also Defizite in den Abläufen bestehen und welche Verbesserungspotenziale sich daraus ergeben.

Unter Umständen wurden ihnen aber solche Gedanken im Sinne des Taylorismus jahre- oder jahrzehntelang abtrainiert und sogar manchmal – zumindest indirekt – sanktioniert. Dieses Szenario fällt dann in die Kategorie erlernte und/oder erlehrte Unselbständigkeit. Nicht selten besteht die erste Hürde schon darin, dass in der Vergangenheit das Aufzeigen von Problemen unerwünscht war und daraus dann verständliche Zweifel entstehen, ob das mit dem Aufzeigen von Problemen wirklich ernst gemeint ist.

In diesem Szenario ist es dann oft auch schwierig, wenn gleichzeitig die Rolle des Hanchos geschaffen wird, der sich (auch) um die Verbesserung der Abläufe und Prozesse kümmern soll, aber dieser Personenkreis in der Rolle oft genauso neu ist und sich auch noch in einer Findungsphase befindet.

Dann passiert es allzu leicht, dass die Verantwortung für Verbesserungen auf diesem Personenkreis abgeladen wird.

Verstärkt wird diese Tendenz dann auch durch die Veränderungen in der Rollendefinition der untersten Ebene der Führungskräfte. Vielleicht mussten sie sich schon in der Vergangenheit darum kümmern, dass „der Laden läuft“ sprichwörtlich in ihrem Verantwortungsbereich. Sie waren so etwas wie die Feuerwehr vom Dienst. Wirklich Spaß gemacht hat das nicht. Deshalb ist es gut, wenn man das jetzt bei jemand anderem abladen kann. Andererseits bleibt dadurch modernes Heldentum auf der Strecke.

Oder sie haben sich gar nicht darum gekümmert, bloß „die Leute rund gemacht“, wenn wieder irgendwas in die Hose ging oder irgendwer was „verbockt“ hatte.

Der Hancho verkommt also nur zu leicht zum Ausputzer. Vielleicht darf er jetzt auch nicht mehr das machen, was ihn in diese Rolle gebracht hat. Weil er „Sachen“ etwas besser und schneller konnte als andere (ohne zu wissen, wie und was er dafür macht), weil er die Extrameile ging, wenn alle anderen schon in der Pause waren.

„The buck stops here.“

– Harry S. Truman

Für alle anderen ändert sich im Grunde nichts, auch wenn das der Lean-Einführung (oder gar Transformation) nicht zuträglich ist.

Was sind jetzt mögliche Lösungen aus diesem Dilemma?

Im Grunde kenne ich nur den einen Weg, der damit beginnt, dass die Unternehmensleitung zu 100 % hinter der Sache steht und das durch ihre Handlungen (und Kommunikation zähle ich auch dazu) tagtäglich auch demonstriert. Wichtig ist dabei auch, dass die Absicht alleine eben nicht ausreicht, sondern die Beurteilung in den Augen aller übrigen Beteiligten das Maß der Dinge ist.

Das bedeutet nun nicht, dass die Unternehmensleitung absolutes Fachwissen über Lean & Co. benötigt. Manchmal ist es sogar besser, das ein oder andere „einschlägige“ Defizit zu haben und vor allem das auch offen einzugestehen, auch im Sinne von „wir sitzen da alle im selben (!) Boot.

Was das aber nicht bedeuten darf, ist die durchaus verbreitete Tendenz, die Lean-Einführung zu delegieren. Ein Weg, dieser „Falle“ zu entgehen, sind die Layered Process Audits. Gleichzeitig werden damit mehrere Fliegen mit einer Klappe erschlagen.

Zum einen durchdringen die Layered Process Audits wie es der Name schon andeutet, alle Hierarchieebenen der Organisation. Zum anderen erfordert der Einsatz der Audits auch ein Verständnis für die Aktivitäten im entsprechenden Verantwortungsbereich, inklusive der Aktivitäten unterhalb des eigenen Verantwortungsbereichs bis auf die Wertschöpfungsebene.

Das bedeutet nun nicht, dass ein Geschäftsführer diese Tätigkeiten selbst am besten ausführen kann, aber er sollte eben ein Verständnis für die Zusammenhänge mitbringen. Dazu gehört auch, dass er auf einer Meta-Ebene beurteilen kann, ob entsprechende Process Audits nach den Regeln der Kunst (der LPA) ausgeführt werden. Da genügt es, dass er sich die Checklisten der untergeordneten Ebenen anschaut und schon alleine diese Betrachtung als seine Verantwortung annimmt und entsprechend in seine eigene LPA-Checkliste aufnimmt.

Falls er dann bei einem Checkpunkt feststellt, dass der entsprechende Prozess nicht eingehalten wird, ergibt sich für ihn (!) die Handlungsaufforderung dieses Defizit zu beheben. Wenn er zusammen mit den Beteiligten nicht in der Lage ist (und gemeinsame Wissendefizite können auch dazu gehören), entsteht daraus die Pflicht für Abhilfe zu sorgen.

Wenn die Layered Process Audits als Einstieg ins Lean Management gewählt werden, hat dies in meinen Augen auch den großen Vorteil, dass praktisch keine Gefahr besteht, Lean & Co. rein auf die Werkzeuge und Methoden zu reduzieren, weil die LPA selbst gar keine inhaltliche Vorgabe machen. Daraus ergibt sich dann auch der implizite Zwang, sich selbst Gedanken über die inhaltliche Ausgestaltung der Checklisten und diese auch laufenden den sich ändernden Verhältnissen anzupassen.

Natürlich können auf den unteren Ebenen dann auch Methoden und Werkzeuge wie 5S & Co. eingesetzt werden. Der „Ausgangspunkt“ dafür ist dann aber Sicherheit, Ordnung und Sauberkeit und daraus entsteht dann der direkte Checkpunkt und der übergeordnete Checkpunkt zum Checkpunkt.

Was in den Layered Process Audits auf jeden Fall auch eingebaut ist, ist die Vorbildfunktion, die sich daraus ergibt. Damit schließt sich dann auch der Kreis zu den Hintertüren. Mit der Vorbildfunktion lassen sich die eingangs geschilderten Hürden überwinden, ohne dass diese selbst thematisiert werden müssen. Im Grunde ist es nicht mal notwendig, den Begriff Lean und seine Methoden und Werkzeuge zu verwenden. Das gilt auch für hochtrabende Begriffe wie Transformation, Kulturwandel, Change Management usw., die mit allen damit verbundenen Begleiterscheinungen oft eher abschreckend als unterstützend wirken.

Wenn Sie wissen möchten, wie die Einführung von Layered Process Audits in Ihrem Verantwortungsbereich aussehen können, nehmen Sie gerne Kontakt mit mir über dieses Formular auf oder greifen Sie einfach zum Telefon und rufen Sie mich unter 0171-7342717 an.

Falls die Umstände für Sie aktuell eine Kontaktaufnahme verhindern, legen Sie sich doch eine Wiedervorlage an.

Frage: Welche Herausforderungen erleben Sie im Lean-Kontext? Wie entstehend diese Herausforderungen? Wie gehen Sie damit um?

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