Warum Prozessoptimierung wie Ackerbau ist

Ackerbau

„Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht.“ Den Spruch haben Sie sicher schon mal gehört oder gelesen. Davon etwas abgewandelt, hab' ich noch einen weiteren: „Es macht auch keinen Sinn, den Acker umzupflügen und neu einzusäen, nur weil die Saat nicht wie gewünscht aufgeht.“

Trotzdem begegnen mir im Kontext der Prozessoptimierung immer wieder mal Verhaltensweisen (in Unternehmen), die im Grunde genau darauf zurückzuführen sind. Da gibt es Aussagen wie „Wir haben ein paar Jahre lang Six Sigma gemacht. Jetzt wechseln wir zu Lean.“ (oder umkehrt). Oder die eher resignierende Variante: „Lean? Haben wir auch schon ausprobiert. Hat bei uns nicht funktioniert.“

Im übertragenen Sinn wird also genau das versucht, was die beiden Sprüche eingangs schon verneinen. Kein Landwirt würde auf die Idee kommen, so vorzugehen, wie das eben in Unternehmen immer wieder passiert.

Jetzt könnte man natürlich sagen, dass die Unternehmen, die der Strategie folgen etwas Neues auszuprobieren, doch genau Lean-Prinzipien folgen und mittels Experimenten versuchen, eine Lösung zu finden, die für sie funktioniert.

Da kann ich aber nur entgegen, dass hinter dieser Vorgehensweise keine Lean-Gedanken stecken, wenn man das Kind mit dem Bad ausschüttet.

Das entscheidende Element, das bei dieser Vorgehensweise fehlt, ist die Ursachenanalyse. Ohne das daraus resultierende Verständnis für die Aspekte, die den Erfolg der Prozessoptimierung verhindern, wird auch eine andere Vorgehensweise mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt sind. Wenn sich dabei trotzdem ein Erfolg einstellen sollte, ist die Chance sehr groß, dass es schlicht und einfach Zufall ist, wie auch ein blindes Huhn mal ein Korn findet.

„Sorge Dich nicht um die Ernte, sondern um die richtige Bestellung der Felder.“

– Konfuzius

In nicht wegen Fällen wird die Ursache der Fehlschläge eher darin begründet liegen, dass wichtige (aber versteckte Elemente) von Lean & Co. übersehen wurden (das gilt übrigens für Six Sigma vergleichbar).

Dazu gehört vor allem das Verständnis bei allen Beteiligten (insbesondere Entscheider und Führungskräfte), dass Lean (und Six Sigma) viel mehr als die bloße Beherrschung der Methoden und Werkzeuge darstellt. Speziell die Einbeziehung aller Mitarbeiter bis zur Shop- und Officefloor Ebene ist immer wieder ein Element, das aus unterschiedlichen Gründen ignoriert oder nicht konsequent umgesetzt wird.

In nicht wenigen Fällen wirken hier Jahrzehnte der tayloristischen Vorgehensweisen in den Unternehmen, die oft unbewusst verinnerlicht wurden, ohne das dies aktiv angestrebt wird. Sich davon freizumachen, benötigt meist erhebliche Anstrengungen, weil hier auch gegen ein organisatorische Unbewusstsein gearbeitet werden muss, das oft in bzw. vor mehreren Generationen der Belegschaft entstanden ist.

Aus diesem Punkt resultiert dann die weitere Herausforderung der Ungeduld mit den sich noch nicht einstellenden Fortschritten, das heißt es werden (unbewusst) Erwartungen bzgl. der Geschwindigkeit gestellt, mit der sich die Fortschritte einstellen sollen, die nicht selten einfach unrealistisch sind, wenn man diese dem (kollektiven) Beharrungsvermögen von Organisationen, deren Historie und den darin verhafteten Menschen gegenüberstellt.

Um auf die eingangs zugrundeliegenden Metaphern zurückzukommen, möchte ich das Wachstumsverhalten von Bambus verwenden. Dabei sind jahrelang verborgene Wachstumsschritte unter der Erdoberfläche notwendig, um dann später eine Form des explosionsartigen Wachstums zu ermöglichen.

Eine vorschnelle Vorgehensweise, wie sie in den eingangs erwähnten Sprüchen verneint wird, würde die zarte Saat ebenfalls sprichwörtlich im Keim ersticken. Erschwerend kommt da dann oft hinzu, dass durch das Ausrotten mit Stumpf und Stil durch den umpflügenden Neustart sogar wertvolle Energie in Form von Biomasse im Boden verloren geht, was bei der Belegschaft verbrannte Erde für neue Initiativen darstellt. Diese haben es dann besonders schwer, weil sie sogar noch die Verkrustung durch Vorbehalte aus zurückliegenden Anläufen durchdringen müssen.

Frage: Welche Erwartungen an Lean & Co. konnten bisher in Ihrem Verantwortungsbereich nicht erfüllt werden? Welche Gründe könnten dahinterstecken? Wo wiederholen sich „Geschichten“ aus der Vergangenheit?

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