Warum Vorratsdosen zur Verschwendung beitragen – Betrachtungen eines verzweifelten Prozessoptimierers

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mir den Zorn von Hausfrauen, Hausmännern und Herstellern zuziehe – aus der Sicht des Prozessoptimierers sind Tupper-Dosen (stellvertretend für alle Vorratsdosen, speziell Gefrierdosen) vielfach ein absoluter Graus. Die negativen Wirkungen sind größtenteils indirekter Natur, aber auch ein paar direkte Probleme bestehen. Festmachen möchte ich das anhand der 7+ Verschwendungen und einzelner Lean-Prinzipien. Verschwendungen sind dabei alle Aktivitäten, die für den Kunden keinen Wert darstellen – in unserem Fall also nicht satt machen.

Transport-Verschwendungen

entstehen durch die Unterbrechung und Ausdehnung der Lieferkette – vom Herd (mit der Auskühlzeit, s.u.) in den Keller zur Gefriertruhe und zurück in die Küche, dann die geleerten Dosen in die Spülmaschine und die sauberen Dosen wieder in den Schrank. Zwischen Küche und Keller könnte ein Milk-run Optimierung bringen, eine Hürde dabei ist jedoch die nachhaltige Einweisung und Mitwirkung der übrigen Familienmitglieder (ich nehme dazu hilfreiche Vorschläge sehr gerne entgegen ;-) Eine schlanke Lieferkette wäre die Just-in-Time-Lieferung Herd-Esstisch.

Lagerbestände

ergeben sich in mehreren Bereichen – in der Gefriertruhe und im “Tupper-Schrank” (immer zu viel und doch das Falsche). Die erhöhten Vorräte resultieren aus den größeren Mengen mit allen negativen Folgen (Lagerkosten, veraltern/verderben, uvm.). Direkte Probleme bestehen m.E. in der Vielzahl der unterschiedlichsten Ausführungen der Dosen. Vergleichbar sind die Dosen mit den sogenannten Kleinladungsträgern (KLT), die in der Logistik für die Anlieferung von Einzel- und Rohteilen in die Produktion eingesetzt werden. Dort wird angestrebt, die Zahl der unterschiedlichen Varianten zu beschränken, da dies auch auf die Zuliefersysteme an den Arbeitenplätzen Einfluss hat. Bei Vorratsdosen ist genau das Gegenteil der Fall. Die Vielzahl der Behälter hat meiner Meinung nach primär Marketinggründe, das Bedürfnis der Kunden nach Einheitlichkeit, speziell zur Lagerung in Gefriertruhen und Schränke, wird zumindest über die verschiedenen Produktfamilien hinweg ignoriert (speziell bei runden Gefäßen). Bei den Lean-Prinzipien verstößt die Verwendung von Vorratsdosen gegen das Pull-Prinzip, also die “Produktion” nur auf Kundenanforderung (aka CoD – Cook on Demand ;-)

Bewegung

wird typischerweise im Rahmen des Transports notwendig, aber auch bei Lagerarbeiten – die richtige Dose ist merkwürdigerweise IMMER ganz hinten oben im Schrank oder ganz unten in der Schublade. Bewegungsoptimierung durch den Einsatz von Vorratsdosen kann durch geringere bzw. optimierte Beschaffungszyklen entstehen, der “Preis” dafür sollte allerdings bewusst hinterfragt werden.

Warte- und Suchzeiten

werden an mehreren Stellen verursacht. Vor dem Einlagern in der Gefriertruhe sollten die Speisen aus Gründen der Energieeffizienz abkühlen. Weitere Wartezeiten entstehen beim Auftauen, wobei hier durchaus nicht verschwiegen werden soll, dass diese Zeit u.U. kürzer ist, als die Neuzubereitung einer Speise. Suchzeiten bestehen leider allzu oft – in der Regel nach dem richtigen Deckel. Hierzu möchte ich anmerken, dass die Einführung von 5S im Küchenumfeld generell erhebliches Optimierungspotenzial zu Tage bringen kann.

Überproduktion

ist die Quelle allen Übels und resultiert in weiteren Verschwendungen. Die Reduzierung des Mülls, weil Reste nicht mehr weggeworfen werden, hat nur oberflächliche Vorteile, die richtige Lösung wäre die oben erwähnte Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden (=Esser).

Überbearbeitung

wird verursacht durch zusätzliche Prozessschritte wie Auskühlen, “Eintuppern”, Einfrieren, Auftauen, Aufwärmen, Abspülen, Ablegen. Besser wäre eben Cook-on-Demand in der richtigen Menge und sofortiges, “rückstandsfreies” Essen. Überbearbeitung besteht m.E. auch in der Vertriebsform der Dosen. Eine direkte Lieferung der Dosen vom Hersteller zum Endverbraucher würde zumindest die Auslieferung und Rechnungsstellung beim Berater optimieren, ohne dass dieser in seiner Beratungsleistung überflüssig würde. Der Mehraufwand beim Hersteller wäre ggf. zu überprüfen, im Sinne eines kundenorientierten Wertstromdesigns dürfte die Antwort jedoch klar sein (gemäß der Toyota-Philosophie: “Customer first, Dealer second, Manufacturer last”).

Defekte/Fehler

werden indirekt dadurch provoziert, dass gefüllte Dosen in der Gefriertruhe oder im Kühlschrank vergessen werden und in der Folge Geschmack und Nährwert verloren gehen bishin zum Verderben des Inhalts. Direkte Defekte bestehen bei den Aufklebern zur Kennzeichnung des Inhalts. Die Varianten, die ich bisher kennen gelernt habe, zeigen immer das falsche Klebeverhalten. Insbesondere beim Einsatz im (Tief-)Kühlbereich geht die Klebekraft regelmäßig auf null zurück und folgend die Kennzeichnung des Inhalts der Dosen durch den Verlust der Aufkleber verloren. Dies resultiert dann wieder in erhöhten Suchzeiten bishin zum Vergessen der Bestände in der Gefriertruhe mit den erwähnten Folgen.

Erhöhte Komplexität

entsteht durch die notwendige Überwachung der Bestände in der Gefriertruhe. In der Folge und im übertragenen Sinn existiert ein oft ständig wachsendes und unüberschaubares Produktspektrum. Zusätzlich wird die Beschaffung eines Mikrowellengeräts fast zur Pficht, was wiederum die Komplexität des häuslichen Maschinenparks mit allen Folgen (Wartung, Bedienungsanleitung, Platzbedarf, Stromanschluss, usw.) erhöht.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Ich will den Einsatz von Vorratsdosen nicht grundsätzlich verdammen und gestehe sogar, dass auch in unserem Haushalt Tupper-Dosen ein zentraler Aspekt der Lebensmittellogistik sind. Die Folgen des Einsatzes werden allerdings viel zu oft unreflektiert ignoriert und wie dargestellt, sind aus der Sicht des Prozessoptimierers Vorratsdosen ein “gefundenes Fressen” ;-)

Frage: Wo entstehen in Ihren Logistik- und Produktionsprozessen durch Lager und Zwischenpuffer Verschwendung? Welche Probleme in den Abläufen werden dadurch verdeckt? Welche wahren Ursachen und versteckten Kosten würden durch einen Abbau der Zwischenlager zum Vorschein kommen?

Tupperware, Eintuppern sind eingetragene Warenzeichen der Tupperware Deutschland GmbH

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