KVP – eine Frage der Verordnung?

Verordnung

Kann der Konti­nuier­liche Verbes­serungs­prozess verordnet werden? Diese Frage drängte sich mir auf, als ich vor kurzem zufällig über eine Seite gestolpert bin, die beschreibt, dass die Bundes­wehr KVP einführt (die Seite ist auf den 05.02.2014 datiert). Die Bundes­wehr gehört nun nicht wirklich auf die Liste meiner Ziel­gruppen aber bei dem Stichwort KVP bin ich dann doch auf­merksam geworden. Letzt­lich lässt sich aus allen „Einsatz“-Szenarien – auch außer­halb des eigenen Umfelds – immer etwas lernen. So hab’ ich mir also die Seite (Links s.u.) genauer ange­sehen, wie KVP bei der Bundes­wehr verstanden und umgesetzt wird.

Den ersten Unter­schied zum klassi­schen KVP (… Prozess) fiel mir dann schon bei der Über­schrift auf. KVP heißt bei der Bundes­wehr offen­sicht­lich anders, nämlich Konti­nuier­liches Ver­besse­rungs­programm. Für einen Projekt­manager ist das schon mal ein Wider­spruch in sich. Warum? Im Projekt­manage­ment-Sinn ist ein Pro­gramm eine überge­ordnete Struk­tur zu Pro­jekten. Pro­jekte sind in ihren Defini­tionszu­sammen­hang immer end­lich, d.h. mit einem klaren Anfang und vor allem auch Ende. Nach meinem Ver­ständ­nis gilt das damit auch für Pro­gramme. Sie sind zwar länger und umfassen­der, aber trotz­dem endlich. Das passt also schon mal nicht zum Begriff „Konti­nuier­lich“. Meine Vermu­tung geht jetzt natür­lich dahin, dass sich der Verfasser des Seite nicht wirk­lich Gedanken auf dieser Ebene gemacht hat (interes­sant wäre die Frage, ob die Bundes­wehr auch Projekt­mana­ger in ihren Reihen hat).

Aber weiter im Text bzw. auf der Seite. Richtig gut gefallen hat mir dann der Unter­titel „Denn nichts ist so gut, dass es nicht ver­bessert werden könnte“. Das entspricht schon fast der Weis­heit der Prozess­opti­mierer ;-) Auch im ersten Absatz macht der Ver­fasser bis auf den Wider­spruch Konti­nuier­lich vs. Programm fast alles richtig, wenn er (oder sie) alle Mitarbei­ter/innen und auch die Soldat/innen und deren Ideen­poten­zial einbezieht. Den Impuls zu meinem Artikel im Sinne der Frage nach der Vorord­nung habe ich dann dem zweiten Absatz ent­nommen, in dem auf die Zentrale Dienst­vor­schrift A-2330/1 verwiesen wird.

Bei der ersten Zwischen­über­schrift ist bei mir dann aber die erste richtige Irri­tation entstanden: Mit­machen, Verbes­sern, Gewinnen. „Oh oh, Gewinnen?“ Hier kam der erste Ver­dacht auf, dass es sich eigent­lich um ein verkapp­tes Betrieb­liches Vor­schlags­wesen (BVW) handelt. Dieser Ver­dacht ist dann zur Gewiss­heit geworden, als im nächsten Abschnitt mit attrak­tiven Prämien und tollen Preisen gewunken wurde. Da macht es dann auch keinen Unter­schied mehr, dass im zweiten Abschnitt betont wird, dass es auch die kleinen Ver­besse­rungen sind, die für die Weiter­entwick­lung sorgen.

Im letzten Abschnitt werden dann mög­lichen Aus­zeich­nungen aufge­zählt. Damit sollte auch dem letzten Zweifler klar sein, dass es hier nicht um einen Konti­nuier­lichen Ver­besse­rungspro­zess handelt sondern um ein Betrieb­liches Vor­schlags­wesen. Beim letzten Satz kam bei mir dann noch die Frage auf, ob es bei der Bundes­wehr auch Quali­täts­manage­ment­beauf­tragte gibt. Ich vermute mal eher nicht, denn sonst hätte es nicht passie­ren dürfen, dass im letzten Satz auf der Seite eine An­erken­nungsur­kunde der Bundes­ministe­rin der Verteidi­gung in Aus­sicht gestellt wird (Anm.: In der Dienst­vor­schrift wird eine neutrale Formu­lie­rung gewählt). Grund­sätz­lich finde ich es zwar gut, dass das Bundes­ministe­rium eine weib­liche Leite­rin hat. Trotz­dem hat der perso­nelle Bezug (weib­lich) in dieser Form nichts in organi­satori­schen Unterlagen zu suchen. Die nächste not­wendige Ände­rung steht damit schon sicher ins Haus. Wenn Sie mir jetzt Spitz­findig­keit und Wortklauberei vorwerfen, kann ich damit leben ;-)

Jetzt will ich aber nicht nur schimpfen, sondern auch ein paar kon­struk­tive Ver­besse­rungsvor­schläge machen. Die Ernst­haftig­keit der Initia­tive hätte sich für mich gra­vierend gesteigert, wenn sich die Unter­stützung und Förde­rung nicht nur in o.g. Aner­kennungs­urkunde ausdrücken würde, sondern wenn die Mini­sterin auf dieser Seite selbst zur Sprache kommen würde (dann hätte ich sogar oben erwähntes Auge bei der Per­sona­lisie­rung zugedrückt). Die Unter­stützung des KVP ebenso wie des BVW durch das Top­manage­ment ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Ein BVW hat sicher­lich seine Berech­tigung, im Unter­schied bleibt der Erfolg aber in der Regel dem Zufall und der Initia­tive Einzel­ner überlassen. Erst die Routine regel­mäßiger KVP-Runden schöpft das Poten­zial der Mitar­beiter wirk­lich aus und bringt nach­haltigen Erfolg in der Anwen­dung Konti­nuier­licher Ver­besse­rungs­aktivi­täten, die dieses Adjek­tiv dann auch ver­dienen. Mehr über den Unter­schied habe ich in einer Gegen­über­stellung von BVW und KVP geschrieben.

Das zweite große Ver­besse­rungs­poten­zial in diesem Artikel wie auch vermut­lich der gesamten Vor­gehens­weise besteht in der Einbe­ziehung der Führungskräfte (deren Rolle auf der Seite praktisch unge­nannt bleibt). In meinem Füh­rungs­welt­bild ist es eine entschei­dende Aufgabe von Füh­rungs­kräften, den Konti­nuier­lichen Ver­besse­rungs­prozess zu fördern und Mitar­beiter laufend bei der Pro­blem­lösung zu unterstützen. Eine Füh­rungs­kraft, die im über­tra­genen Sinn nur sagt, wir haben heute das Gleiche gemacht wie gestern, wird der Ver­antwor­tung ihrer Rolle in meinen Augen nicht gerecht. In der Dienst­vor­schrift wird diese Füh­rungs­auf­gabe zwar genannt, inhalt­lich wird die Füh­rungs­kraft m.E. mit dieser Aufgabe jedoch allein gelassen.

Fazit: KVP kann nicht verord­net werden, er muss (vor-)gelebt werden – vom Top-Manage­ment, den Füh­rungs­kräften durch alle Ebenen und den Mit­arbei­tern. Mit einem „jetzt macht mal“ ist es nicht getan.

Frage: Wo haben Sie den Eindruck, dass die Verord­nung des KVP nicht den gewün­schten Erfolg zeigt? Wie lässt sich eine Verord­nung wirklich mit Leben füllen?

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Wenn Sie sich selbst ein Bild vom Konti­nuier­lichen Ver­besse­rungs­programm der Bundes­wehr machen wollen, finden Sie die erwähnte Seite inkl. der erwähnten Dienstvorschrift und einem Formblatt für Verbesserungsvorschläge unter diesen beiden Links (leider nicht mehr online). Sie führen beide auf die gleiche Seite. Ich nenne sie hier beide in der Hoff­nung, dass die Erreich­bar­keit der Seite damit steigt, weil die Links nicht wirklich SEO-gerecht sind.

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