Den ersten Unterschied zum klassischen KVP (… Prozess) fiel mir dann schon bei der Überschrift auf. KVP heißt bei der Bundeswehr offensichtlich anders, nämlich Kontinuierliches Verbesserungsprogramm. Für einen Projektmanager ist das schon mal ein Widerspruch in sich. Warum? Im Projektmanagement-Sinn ist ein Programm eine übergeordnete Struktur zu Projekten. Projekte sind in ihren Definitionszusammenhang immer endlich, d.h. mit einem klaren Anfang und vor allem auch Ende. Nach meinem Verständnis gilt das damit auch für Programme. Sie sind zwar länger und umfassender, aber trotzdem endlich. Das passt also schon mal nicht zum Begriff „Kontinuierlich“. Meine Vermutung geht jetzt natürlich dahin, dass sich der Verfasser des Seite nicht wirklich Gedanken auf dieser Ebene gemacht hat (interessant wäre die Frage, ob die Bundeswehr auch Projektmanager in ihren Reihen hat).
Aber weiter im Text bzw. auf der Seite. Richtig gut gefallen hat mir dann der Untertitel „Denn nichts ist so gut, dass es nicht verbessert werden könnte“. Das entspricht schon fast der Weisheit der Prozessoptimierer ;-) Auch im ersten Absatz macht der Verfasser bis auf den Widerspruch Kontinuierlich vs. Programm fast alles richtig, wenn er (oder sie) alle Mitarbeiter/innen und auch die Soldat/innen und deren Ideenpotenzial einbezieht. Den Impuls zu meinem Artikel im Sinne der Frage nach der Vorordnung habe ich dann dem zweiten Absatz entnommen, in dem auf die Zentrale Dienstvorschrift A-2330/1 verwiesen wird.
Bei der ersten Zwischenüberschrift ist bei mir dann aber die erste richtige Irritation entstanden: Mitmachen, Verbessern, Gewinnen. „Oh oh, Gewinnen?“ Hier kam der erste Verdacht auf, dass es sich eigentlich um ein verkapptes Betriebliches Vorschlagswesen (BVW) handelt. Dieser Verdacht ist dann zur Gewissheit geworden, als im nächsten Abschnitt mit attraktiven Prämien und tollen Preisen gewunken wurde. Da macht es dann auch keinen Unterschied mehr, dass im zweiten Abschnitt betont wird, dass es auch die kleinen Verbesserungen sind, die für die Weiterentwicklung sorgen.
Im letzten Abschnitt werden dann möglichen Auszeichnungen aufgezählt. Damit sollte auch dem letzten Zweifler klar sein, dass es hier nicht um einen Kontinuierlichen Verbesserungsprozess handelt sondern um ein Betriebliches Vorschlagswesen. Beim letzten Satz kam bei mir dann noch die Frage auf, ob es bei der Bundeswehr auch Qualitätsmanagementbeauftragte gibt. Ich vermute mal eher nicht, denn sonst hätte es nicht passieren dürfen, dass im letzten Satz auf der Seite eine Anerkennungsurkunde der Bundesministerin der Verteidigung in Aussicht gestellt wird (Anm.: In der Dienstvorschrift wird eine neutrale Formulierung gewählt). Grundsätzlich finde ich es zwar gut, dass das Bundesministerium eine weibliche Leiterin hat. Trotzdem hat der personelle Bezug (weiblich) in dieser Form nichts in organisatorischen Unterlagen zu suchen. Die nächste notwendige Änderung steht damit schon sicher ins Haus. Wenn Sie mir jetzt Spitzfindigkeit und Wortklauberei vorwerfen, kann ich damit leben ;-)
Jetzt will ich aber nicht nur schimpfen, sondern auch ein paar konstruktive Verbesserungsvorschläge machen. Die Ernsthaftigkeit der Initiative hätte sich für mich gravierend gesteigert, wenn sich die Unterstützung und Förderung nicht nur in o.g. Anerkennungsurkunde ausdrücken würde, sondern wenn die Ministerin auf dieser Seite selbst zur Sprache kommen würde (dann hätte ich sogar oben erwähntes Auge bei der Personalisierung zugedrückt). Die Unterstützung des KVP ebenso wie des BVW durch das Topmanagement ist ein entscheidender Erfolgsfaktor. Ein BVW hat sicherlich seine Berechtigung, im Unterschied bleibt der Erfolg aber in der Regel dem Zufall und der Initiative Einzelner überlassen. Erst die Routine regelmäßiger KVP-Runden schöpft das Potenzial der Mitarbeiter wirklich aus und bringt nachhaltigen Erfolg in der Anwendung Kontinuierlicher Verbesserungsaktivitäten, die dieses Adjektiv dann auch verdienen. Mehr über den Unterschied habe ich in einer Gegenüberstellung von BVW und KVP geschrieben.
Das zweite große Verbesserungspotenzial in diesem Artikel wie auch vermutlich der gesamten Vorgehensweise besteht in der Einbeziehung der Führungskräfte (deren Rolle auf der Seite praktisch ungenannt bleibt). In meinem Führungsweltbild ist es eine entscheidende Aufgabe von Führungskräften, den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu fördern und Mitarbeiter laufend bei der Problemlösung zu unterstützen. Eine Führungskraft, die im übertragenen Sinn nur sagt, wir haben heute das Gleiche gemacht wie gestern, wird der Verantwortung ihrer Rolle in meinen Augen nicht gerecht. In der Dienstvorschrift wird diese Führungsaufgabe zwar genannt, inhaltlich wird die Führungskraft m.E. mit dieser Aufgabe jedoch allein gelassen.
Fazit: KVP kann nicht verordnet werden, er muss (vor-)gelebt werden – vom Top-Management, den Führungskräften durch alle Ebenen und den Mitarbeitern. Mit einem „jetzt macht mal“ ist es nicht getan.
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Wenn Sie sich selbst ein Bild vom Kontinuierlichen Verbesserungsprogramm der Bundeswehr machen wollen, finden Sie die erwähnte Seite inkl. der erwähnten Dienstvorschrift und einem Formblatt für Verbesserungsvorschläge unter diesen beiden Links (leider nicht mehr online). Sie führen beide auf die gleiche Seite. Ich nenne sie hier beide in der Hoffnung, dass die Erreichbarkeit der Seite damit steigt, weil die Links nicht wirklich SEO-gerecht sind.
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