KVP – noch eine Frage des Fluchs

Fluch

In einem anderen Podcast habe ich vor kurzem die These gehört, dass Wissen und Expertentum durchaus auch ein Fluch sein. Dabei ging es nicht um die anderen (die u.U. auch keine Freude daran haben, einen Klugsch… um sich herum zu haben ;-) sondern um die (vermeintlichen) Experten selbst.

In der erwähnten Podcast-Episode ging es um Rechtschreibstrategien und die bedauerliche Situation, dass Schüler leider viel zu oft mit mangelnder Rechtschreibung mit Rechtschreibschwäche abgestempelt werden, nur weil ihnen noch niemand eine geeignete Strategie für gute/richtige Rechtschreibung beigebracht hat.

Oft passiert das, weil die betreffenden Lehrer sich selbst über geeignete Strategien gar nicht bewusst sind und diese deshalb auch nicht weitergegeben können.

Gleichzeitig ist der Lehrer aber der Experte (der ja auch schreiben kann) und kommt deshalb gar nicht auf die Idee, dass er an dieser Stelle selbst noch Entwicklungspotenzial hat bzw. ist nicht bereit von anderen (Nichtlehrern) diese Erkenntnis über fehlende Strategien anzunehmen. Dabei geht es wohlgemerkt nicht um die Rechtschreibung, sondern um die Fähigkeit anderen Strategien zu vermitteln, die für diese geeignet sind – der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.

Eine vergleichbare Situation kann durchaus in Unternehmen, bei Prozessen und deren Verbesserung auftreten. Die dort beteiligten Personen – Mitarbeiter wie Führungskräfte – sind natürlich die Fachleute in den Prozessen, sehen aber deshalb unter Umständen die Verbesserungspotenziale gar nicht oder können sich nicht vorstellen, dass Außenstehende vielleicht nicht das Detailwissen über die Prozesse haben aber trotzdem (oder gerade deshalb) in der Lage sind, Verbesserungen in den betreffenden Prozessen anzuregen und zu begleiten.

„Ich weiß, dass ich nicht weiß.“

– Sokrates

Der Fluch an dieser Situation ist das mögliche Unvermögen des Wissenden die Notwendigkeit von Alternativen zu erkennen und diese dann auch zu verfolgen. Zu dieser Fähigkeit gehört dann ein nicht zu unschätzendes Maß an Selbstzweifel verbunden mit einem vernünftigen Maß sich selbst und das eigene Wissen in Frage zu stellen.

Nur diese Erkenntnis der Unvollkommenheit ermöglicht es, nachzufragen, Neues erlernen zu wollen und damit neue Wege gehen zu wollen.

Letztlich ist es in meinen Augen nicht möglich, neues Wissen ohne äußere Impulse zu schaffen. Dass die eigene Denkleistung zur Schaffung von neuem Wissen beiträgt, will ich damit nicht bestreiten. Allerdings glaube ich nicht, dass das nur von innen heraus ohne externe Anregung möglich ist.

Auf den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess und die Optimierung von Prozessen übertragen, lässt sich dieser Fluch auf verschiedene Arten vermeiden. Da sind einerseits die Fragen der Fragen der Führungskräfte – beispielsweise im Rahmen der Verbesserungs- und Coaching-Kata – um den Status Quo immer wieder in Frage zu stellen und den Experten eines Prozesses dadurch immer externe Impulse zu bieten. Um auch den Führungskräften kontinuierliche Anregungen zu bieten, sollten sich die Verbesserungsbestrebungen an einer Unternehmensvision orientieren, die über die Erreichung klassisch smarter Ziele hinausgeht, dabei konstant den Kundennutzen ins Zentrum stellt und mögliche Veränderungen darin in die Überlegungen einbezieht.

Reine Umsatz- und Gewinnmaximierung ist dabei schon deshalb ein schlechter Ratgeber und Anreiz, weil die notwendig Dynamik in den Anforderungen fehlt und der Fluch der Routine dazukommt.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist in meinen Augen nur möglich, indem man bereit ist, sich kontinuierlich in Frage zu stellen und sich nicht mit einem erreichten Niveau zufrieden geben will.

Frage: Wie gehen Sie mit Expertenwissen in den Prozessen um? Wie vermeiden Sie Selbstzufriedenheit und methodischen Stillstand? Wo fehlen Ihnen äußere Anstöße und Impulse?

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