Was Moltke schon über Produktion wusste

Produktion

Wenn Sie sich jetzt fragen, welche Ahnung ein preußischer Feldmarschall des 19. Jahrhunderts von Produktion haben kann, hab' ich zumindest schon mal Ihre Aufmerksamkeit. Der Impuls zu diesem Artikel basiert auf dem Begriff Aushilfen nach dem bekannten Zitat des Grafen (s.u.).

Mit Aushilfen sind dabei nicht menschliche Aushilfen (in der Produktion) gemeint, sondern immer wieder auftretende und eingesetzte Workarounds, um Probleme zu beheben. Der Begriff ist mir in einer Unterhaltung mit einem Kundenmitarbeiter in den Sinn gekommen, bei der wir festgestellt hatten, dass bestimmte Defizite in Produktionsunterlagen, die eigentlich eine Produktion unmöglich machen sollten, durch geeignete Einflussnahmen (Workarounds/Aushilfen) es offensichtlich doch ermöglichen, dass die Fertigung von Produkten machbar wird.

Allerdings scheinen die besagten Aushilfen nicht in einer Form dokumentiert zu sein, die erstens nachvollziehbar ist und es zweitens erlaubt, die eigentlichen Ursachen (in besagtem Fall ein unvollständiger Unterlagenstand) wirklich zu beseitigen und damit die Aushilfen überflüssig zu machen.

In meinen Augen hat sich in der angedeutete Zustand schon so weit zu einem System verdichtet, dass Veränderungen zur Beseitigung der wahren Ursachen zumindest auf den ersten Blick aufgrund der fehlenden Transparenz schon fest unmöglich erscheinen. Das war dann auch der Punkt in der Unterhaltung, zu dem mir Moltkes Zitat wieder in den Sinn kam.

Dieser Effekt tritt dann oft gepaart und verstärkt mit der Kreativität der beteiligten Menschen auf. Zu Beginn handelt es sich dabei oft nur um eine kleine Aushilfe, um ein kleines Defizit (in den Auswirkungen) zu beseitigten [1]. Weil in diesem Augenblick schon die Ursachenbeseitigung unterbleibt, kommt es in der Folge zu weiteren Aushilfen, die sich wiederum mit den Mängeln der ersten Aushilfe beschäftigen, ohne der Sache auf den Grund zu gehen.

„Jede strategische Planung reicht bis zur ersten Feindberührung. Danach ist alles ein System von Aushülfen..“

– Helmuth Graf von Moltke

Sie können sich nun vorstellen, dass diese Kette der Aushilfen nicht einfach abreißt, sondern sich eher mit fortschreitender Zeit verstärkt und verlängert.

Verstärkt, weil die Aushilfen immer stärker in wechselseitige Abhängigkeiten geraten und verlängert, weil die eigentliche Ursache des Problems schon lange in der Versenkung verschwunden ist und deshalb gar nicht mehr hinterfragt wird bzw. mangels Sichtbarkeit hinterfragt werden kann.

Verstärkt wird dieser Effekt auch dadurch, dass er oft mit einem Mangel an Dokumentation auftritt, der aber wiederum den Beteiligten kaum zum Vorwurf gemacht werden kann, weil ihnen erstens das Bewusstsein dazu fehlt und zweitens und dabei viel häufiger die Mittel fehlen, entsprechende Aushilfen geeignet aufzuzeichnen. Wenn diese Möglichkeiten bestehen würden, käme es oft schon gar nicht zu dem beschriebenen Effekten, weil allein schon der bewusste Umgang im Rahmen der Dokumentation „Schlimmeres“ verhindern würde.

Jetzt will ich nicht Produktionsszenarien mit einem Schlachtfeld oder den Feldzügen Moltkes vergleichen, aber gewisse Parallelen mit dem Gedanken der sich verfestigenden Systeme von Aushilfen sind in meinen Augen trotzdem offensichtlich.

An dieser Stelle kann es sich dann auch die Betrachtung lohnen, wie Moltke diesem Systemdilemma entkommen ist. Da kommt dann u.a. die Auftragstaktik ins Spiel, die es den Betroffenen vor Ort erlaubt, ihre Handlungen den Gegebenheiten anzupassen [2][3].

Wenn Sie sich jetzt fragen, ob es sich dabei nicht um einen Widerspruch zu den schon referenziert negativen Auswirkungen der Kreativität handelt [1] , will ich ergänzen, dass natürlich ein entscheidendes Merkmal der Auftragstaktik schon im Namen steckt, nämlich des Auftrags mit seinen definierten Ausprägungen.

Das ist dann auch ein entscheidendes Merkmal, dass die Intension also das Warum hinter dem Auftrag bewusst gemacht wird. Nicht nur den Ausführenden, sondern zwingend zuvor sich selbst bei den Auftraggebenden.

Im Fall des Produktionskontextes gehört dazu auch, dass eben gerade kein System von Aushilfen entstehen darf, sondern Arbeitsstandards zu definieren, einzuhalten und im Falle eines Falles natürlich auch zu verändern und in neue Standards zu überführen sind. Ein Weg, diese Ergebnisse zu erreichen, können die Layered Process Audits sein, die sehr stark auf Standards basieren und trotzdem die Lösung von Problemsituationen im Fokus haben.

[1] Blog-Artikel „Wenn Kreativität schädlich wird und was man dagegen tun kann“
[2] Blog-Artikel zur Auftragstaktik, Podcast-Episode zur Auftragstaktik, Wikipedia-Eintrag zur Auftragstaktik
[3] Podcast-Episode zur Auftragstaktik & Lean

Wenn Sie wissen möchten, wie die Einführung von Layered Process Audits in Ihrem Verantwortungsbereich aussehen können, nehmen Sie gerne Kontakt mit mir über dieses Formular auf oder greifen Sie einfach zum Telefon und rufen Sie mich unter 0171-7342717 an.

Falls die Umstände für Sie aktuell eine Kontaktaufnahme verhindern, legen Sie sich doch eine Wiedervorlage an.

Frage: Welche Effekte von Aushilfen nehmen Sie in Ihrem Verantwortungsbereich wahr? Wie gehen Sie mit negativen Effekten um? Wie wollen Sie negative Effekte in der Zukunft vermeiden?

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