Standards sind nicht alles, aber ohne Standards ist alles nichts

Standards

Der/die ein/e oder andere Leser/in wird jetzt vielleicht gedanklich abwinken oder laut stöhnen, weil ich das Thema Standards schon wieder bemühe [1-5].

In meinen Augen gibt es aber im Lean Management, und im Grund unabhängig davon in jeder vernünftigen Betriebsführung, kaum etwas so wichtiges wie Standards. Und den etwas abgewandelten Titel dieses Artikels mit dem normalen Bezug zur Gesundheit habe ich nicht umsonst gewählt.

Standards werden wie die Gesundheit vor allem und erst dann wahrgenommen, wenn sie fehlen. Und der Übergang ist oft ähnlich schleichend. Erschwerend kommt das noch dazu, dass ihr Fehlen oft zuerst von den Kunden wahrgenommen werden. Oft aber auch hier nicht im direkten Bewusstsein der fehlenden Standards, sondern in den Folgen.

Folgen bei fehlender Termintreue, Folgen bei langen Lieferzeiten, Folgen bei schlechter Qualität. Dass diese Folgen keinen positiven Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben, dürfte keiner weiteren Erörterung benötigen. Die Folgen der Kundenunfriedenheit für die Unternehmen sind oft ähnlich indirekt, d.h. Kunden kommunizieren nicht direkt, dass sie aufgrund fehlender Standards unzufrieden sind, sondern sie stimmen einfach mit den Füßen ab und gehen zu Wettbewerbern.

Das gilt dann auch für die internen Folgen im Unternehmen. In der Regel ergeben sich höhere Kosten, um die genannten Defizite zu kompensieren (was im Grund aber schon voraussetzt, dass die notwendige Erkenntnis vorhanden ist. Viel zu oft sind aber die klassisch versteckten Probleme unter der Wasseroberfläche, die man grad noch erkennt, wenn man auf der Spitze des Eisbergs steht.

Die fehlenden Standards befinden sich in der bewussten Wahrnehmung meist aber am untersten Ende des Eisbergs.

Warum sind Standards jetzt so wichtig?

Sie schaffen Sicherheit (Safety)

An oberster Stelle der Warums steht die Sicherheit, die sich daraus, speziell aus den Arbeitsstandards ergibt. Dies kommt bspw. auch in den Arbeitsaufschlüsselungen der Job Instructions aus dem Training Within Industry zum Ausdruck. Dort ist die Sicherheit als Warum eines Schlüsselaspekts der wichtigste Punkt[6].

Innerhalb des TWI geht der Sicherheitsaspekt sogar so weit, dass es neben den klassischen Job Trainings (Instruction, Relations, Methods) das Job Safety Training gibt.

„Where there is no standard, there can be no kaizen.“

– Taiichi Ohno

Standards sind Referenzpunkte

Aus den Referenz- bzw. Bezugspunkten, die durch Standards gebildet werden, leiten sich zahlreiche andere Aspekte ab, die ohne diese Fixpunkte gar nicht möglich wären.

Das beginnt mit der Qualitätssicherung, die schlicht nicht funktionieren würde, gäbe es die Bezugspunkte durch Standards nicht. Ohne sie könnte man schließlich nie sagen, ob eine entsprechende Anforderung eingehalten wird. Wenn also der Zustand standardisiert ist, liegt es auch nahe den Weg dorthin und die Einhaltung zu standardisieren.

Elemente der Standardisierung sind auch klar in den Layered Process Audits erkennbar. Letztlich wären in keinem Kontext Checklisten-basierte Audits denkbar, wenn die Checkpunkte nicht die Rolle von Standards hätten.

Standards bilden in doppelter Weise auch die Basis von Zielen und der Ausrichtung daran. Das sind einerseits sie Ausgangspunkt der Veränderung aber auch als Endpunkt in dem Sinn, dass die Stabilität von Standards angestrebt wird.

Im engen Zusammenhang stehen die Standards als Ausgangspunkt zur Verbesserung. Wenn diese stabilen Punkte nicht existieren würde, könnte man bei keiner Veränderung wirklich sagen, ob es sich um eine echte Verbesserung handelt, oder nicht stattdessen nur um zufällige Effekte, die keine bleibende Wirkung haben.

Diese stabilen Bezugspunkte sind auch notwendig, wenn es um die Verbesserung von Prozessen geht, ebenso wie die Weiterentwicklung der Menschen, die darin tätig sind oder sich die Verbesserung an sich auf die Fahne geschrieben haben.

Bei der Weiterentwicklung kommen dann wieder die schon erwähnten Job Trainings ins Spiel. Dort wirken Standards gleich auf zwei Ebenen.

Einerseits ist das die standardisierte Vorgehensweise zur Unterweisung, zu Schaffung guter Arbeitsbeziehungen und zur Verbesserung der Arbeitsprozesse. Andrerseits kommen sie auch auf einer Meta-Ebene zum Einsatz, wenn es darum geht, genau diese Vorgehensweise zu vermitteln. Hier geht die Standardisierung weit über normale Lehrpläne hinaus.

Standards als Bezugspunkte sind auch bei der Problemlösung ein zentraler Aspekt. Das beginnt schon bei der Problemdefinition, die oft unausgesprochen durch die Abweichung von einem Soll (Zustand oder Prozess) den Standard desselben voraussetzt. Dazu gehört dann immer auch die Frage, ob es für eine Problemsituation überhaupt einen definierten Standard gibt.

Damit eng verwandt, ist dann die Frage, ob der Standard befolgt wird und ob er noch angemessen ist.

Im Abschluss des PDCA-Zyklus wird die Act-Phase die notwendige Standardisierung der Verbesserung sichergestellt. Damit wird durch den neuen Standard die viel zitierte Nachhaltigkeit gewährleistet.

Auf der methodischen Ebene sind Standards auch in den 5S ein entscheidendes Element. Das gilt dabei nicht nur für jedes einzelne S, sondern auch im Zusammenspiel und der grundsätzlichen Vorgehensweise beim Einsatz von 5S.

Sie bringen Verlässlichkeit

Bei diesem Warum habe ich vor allem Standards in der Führungsarbeit und begleitenden Führungskultur im Kopf.

Dabei geht es definitiv nicht darum, dass alle Menschen über einen Kamm geschert werden, sondern, dass das Verhalten der Führungskräfte ggü. ihren Mitarbeitern (und der eigenen Führungskraft) berechenbar ist. Es geht mir also weniger darum, eine inhaltliche Bewertung der Führungsarbeit in gut oder schlecht vorzunehmen, sondern auch hier eine Form von Struktur und Wiederholbarkeit zu erreichen.

Das Grundprinzip der Job Relations „Menschen verdienen es, als Individuen behandelt zu werden“ bezieht sich dabei nur auf die inhaltliche Ebene und ist deshalb auch kein Widerspruch zur Forderung nach Standards. Standards sind hier bspw. ein geregelter Tagesablauf mit Stichworten wie Shopfloor Management, Gemba (Ort des Geschehens), Genchi Genbutsu (geh hin und sieh), Layered Process Audits.

Standards sind Basisanforderungen

Und mit Basisanforderungen gibt es besondere Herausforderungen, wie das im Kano-Modell schön zum Ausdruck kommt. [7]

Wenn Sie in Ihrem Verantwortungsbereich noch Herausforderungen haben, dass alle Beteiligten den erforderlichen Standards die notwendige Bedeutung beimessen oder Standards grundsätzlich noch nicht angemessen definiert und berücksichtigt werden,
nehmen Sie gerne Kontakt mit mir über dieses Formular auf oder greifen Sie einfach zum Telefon und rufen Sie mich unter 0171-7342717 an. Wir können dann in einem unverbindlichen Austausch klären, wie ich Sie im Kontext von Standards unterstützen kann.

Falls die Umstände für Sie aktuell eine Kontaktaufnahme verhindern, legen Sie sich doch eine Wiedervorlage an.

[1] KVP – eine Frage der Standards
[2] KVP – noch eine Frage der Standards
[3] Machen Arbeitsstandards Menschen ersetzbar?
[4] Standards in Seenot – Routine im Ernstfall
[5] Standards vs. Innovation
[6] Training Within Industry (TWI)
[7] Kano-Modell

Frage: Welche Rolle spielen Standards in Ihrem Verantwortungsbereich? Wo haben Standards noch nicht die notwendige Bedeutung? Welche Folgen hat das?

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